Besuch einer Lobbyveranstaltung

17. Juni 2014 § 5 Kommentare

Mein Kaffee im CDU-Fraktionssaal

Mein Kaffee im CDU-Fraktionssaal.

Am 16.06. fand im Landtag Düsseldorf eine gemeinsame Veranstaltung des evangelischen und des katholischen Kirchenbüros im Landtag NRW statt – nein, das war keine stilistisch unglückliche Doppelung, es gibt Kirchenbüros im Landtag, und die Veranstaltung fand im Landtag statt. 

Die Veranstaltung hieß „Staat und Kirche in NRW – Standpunkte und Perspektiven“ und zeichnete sich dadurch aus, dass sie den Dialog suchte: und zwar den zwischen den beiden Großkirchen und den Abgeordneten. Während die Kirchen im öffentlichen Diskurs in der Defensive sind und an vielen Stellen herbe Kritik einstecken müssen – Kirchliches Arbeitsrecht, „Dotationen“ und Kirchenfinanzen, Skandale aller Art, Bekenntnisgrundschulen – gingen sie hier in die Offensive und sprachen die Mächtigen im Lande, die Abgeordneten, direkt an. 

So geht es also auch.

Nur in den allerletzten Tagen wurde diese Veranstaltung öffentlich, schließlich ist es bei einem Termin im Gebäude des Landtags selber unvermeidlich, und so konnten trotz der Kurzfristigkeit auch noch einige kritische Stimmen an dieser trauten Zweisamkeitsveranstaltung teilnehmen (vielen Dank sei an dieser Stelle den Abgeordneten ausgesprochen, die einige Leute trotz dieser Staat-Kirche-Exklusivität im wahrsten Wortsinn hineinschmuggelten). So konnte zumindest ein wenig Kritik an den Verflechtungen und Verfilzungen in das hohe Gebäude und die einvernehmliche Gesprächsrunde gebracht werden; von sich aus hatten die Kirchen keinen einzigen Vertreter muslimischen oder jüdischen Glaubens, geschweige denn der Humanisten oder Freidenker eingeladen (von erklärten Atheisten ganz zu schweigen). 

Professionell organisiert war das Ganze schon: drei kurze Eröffnungsreden, in denen vom Landtagsvize Uhlenberg, den Kirchenbüroleitern und auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erst einmal die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Kirchen gepriesen wurde – wobei letztere allerdings zum Schluß ihrer Rede auch die Notwendigkeit der Veränderung angesichts zunehmender Säkularisierung anmerkte: „Es gibt mehr menschen, die sich entschlossen haben, keiner Religion anzugehören, und wir müssen das respektieren … es sind keine besseren oder schlechteren Bürger.“

Anschließend ging die Arbeit in Themenforen weiter, welche in separaten Sitzungszimmern zusammenkamen. Dort wurden von Wissenschaftlern Impulsreferate gehalten, welche durch zwei aus Politik und/oder Wissenschaft eingebrachte Standpunkte eingerahmt wurden – anschließend konnte dieser Input von den Teilnehmern diskutiert und ergänzt werden. Die Moderation der Themenforen wurde jeweils von einem Kirchenchef übernommen, anwesende JournalistInnen hatten die Aufgabe der Zusammenfassung.

Trotz nur mäßig kritischer Positionen der Wissenschaftler zeigten diese Ergebnisse einen Tenor der Notwendigkeit von Reformen. 

Das Forum „Finanzen“ kreiste um das Problem des Kirchensteuereinzugs und des Verfassungsauftrags zur Ablösung der „Staatsleistungen“: hier zeigte sich keine Seite fähig und/oder Willens, am Status Quo etwas zu ändern. Letztlich hofft man auf Europa und eine Neuregelung durch „Europäisierung“ der Kirchenfinanzierung. 

Im Forum „Arbeitsrecht“ muss es hoch her gegangen sein: das kirchliche Arbeitsrecht scheint jedoch heute schon weitgehend ausgehöhlt, mehr Respekt vor den Lebensentscheidungen Einzelner und Kooperation mit den Gewerkschaften wurde deutlich eingefordert. 

„Pluralität und Medien“ erkannte die Säkularisierung der Sonn- und Feiertage an, sperrte sich aber gegen Lockerung der sogen. stillen Feiertage (Tanzverbote): „an einem Tag im Jahr auf Tanzen zu verzichten schadet doch niemandem“. Die rechtlich zugesicherte Sendezeit in den Medien müsse pluralistischer verteilt werden. Über Hintergründe der Finanzierung von Kirchensendungen durch die Sender hatte das Podium keine Ahnung.

Bekenntnisschulen und Kitas waren die Kernthemen des Forums „Bildung“. Während das Schema der Bekenntnisschulen als dringend reform- bzw. abschaffungsbedürftig erkannt wurden (nur die CDU ist strikt dagegen) ist bei den Kitas eine paradoxe Entwicklung zu beobachten: immer mehr muslimische Kinder sind in den Kindergärten der Kirchen – der Staat kann sie aber nicht zur „Öffnung“ zwingen.

Das Forum „Soziale Daseinsvorsorge“ überschnitt sich mit „Arbeitsrecht“, da die wenigsten kirchlichen Krankenhäuser noch ein religiöses Profil besäßen. Auch finden sie einfach kein qualifiziertes Personal mit passender Konfession mehr.

Mein Eindruck vom letzten Forum „Kirche als Kulturträger“ war, dass es sich hauptsächlich Jammern und Betteln um mehr Zuschüsse für Kulturarbeit und Denkmalschutz für Kirchengebäude handelte. 

Das sehr disziplinierte und offensichtlich inständig auf einen pünktlichen Schluss hoffende Publikum brachte nur wenige Wortmeldungen in die Ergebnisse der Themenforen ein, mit Ausnahme der unermüdlichen Ingrid Matthäus-Meier, die leidenschaftlich Stellung bezog gegen das kirchliche Arbeitsrecht und die Monopolisierungen im sozialen Bereich. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Rede („Statement“) von Armin Laschet, Oppositionsführer, der sich deutlich gegen jede Änderung der Landesverfassung aussprach und die Kirchen als Träger, Stützen, Säulen des Staates ansah. Danach kam noch eine Dankesliste der Kirchenbüroleiter, anschließend wurden die Teilnehmer am Stehkaffee vorbei in Richtung WM Deutschland-Portugal entlassen.

Was hat diese Veranstaltung jetzt gebracht?

Sie hat einen enormen Veränderungsbedarf aufgezeigt – und gleichzeitig den Wunsch der Kirchen und vor allem der CDU-Opposition, alles so zu lassen, wie es ist. Die Kampfansage Laschets gegen jegliche Korrektur der Landesverfassung (angeraten z. B.. bei den Bekenntnisschulen) erinnerte an die „Tea Party“ und ihren Fanatismus in der Verteidigung des „one nation under god“. In allen Foren wurde stärkere Öffnung zur Pluralität gefordert: die wurde hingegen von den Kirchenvertretern überwiegend als Aufforderung zum ökumenischen Schulterschluss, optimal unter Einbezug von Juden und Muslimen, interpretiert. Die hätte man vielleicht besser selber eingeladen, als sie in der Diskussion immer und immer wieder zu vereinnahmen.

Überhaupt, Pluralität: gern changierten die Kirchenvertreter zwischen dem Zugeständnis einer säkulareren und pluralistischeren Gesellschaft einerseits und einem Pochen auf ihren 70% katholischen und evangelischen Christen, als wären letztere eine monolithische Truppe: überhaupt machte die Gegenüberstellung mit der säkularen Gesellschaft aus den beiden eine einzige, ökumenische Kirche, als hätten sie keine unterschiedlichen Positionen, Standpunkte und Probleme. Betonung von Öffnung (Notwendigkeit zur … ) wurde meist kombiniert mit der Klage über die Zersplitterung der Gruppen, gegenüber denen man sich öffnen sollte: Unkonkreter geht es nicht. Auch darin spiegelt sich die Position von Kirchen und Politik in NRW wieder, die bisherigen Strukturen auf jeden Fall zu erhalten, damit nicht die Möglichkeit verstreicht, sie irgendwann wieder mit Leben zu füllen. Vielleicht gibt es ja bald wieder 90% Katholiken! Dann werden die Bekenntnisschulen sicher gebraucht. 

Eigentlich wollte ich während der Veranstaltung „Böckenförde-Bingo“ spielen, dann fiel das berühmte „Diktum“ aber doch nur ein Mal. Statt dessen lernte ich eine neue Interpretation für „Bedeutungsüberschuss“ (als moralisches Produkt kirchlicher Arbeit, das auch Atheisten und Agnostikern zugute kommt). Und noch etwas habe ich gelernt: wenn man einen Politiker auf einen Missstand aufmerksam macht, sind „Das weiß ich nicht“ und „Das sehe ich nicht so“ ausreichende, voll qualifizierte ablehnende Antworten. Aber damit wird man beschieden, wenn man sich in den Dialog von Staat und Kirche einmischt. 

Später nahm ich den Platz des Vorsitzenden der Verfassungskommission ein.

Später nahm ich den Platz des Vorsitzenden der Verfassungskommission ein.

 

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§ 5 Antworten auf Besuch einer Lobbyveranstaltung

  • Godesberger sagt:

    Genau so war es, wie ich leider aus der Perspektive eines Christenmenschen bestätigen muss. Sehr irritierend war, dass in der Berichterstattung über die Veranstaltung mit keinem Wort erwähnt wurde, dass die real existierenden öffentlichen Bekenntnisschulen und die dafür verantwortlichen rechtlichen Regelungen fast einhellig für anachronistisch erklärt wurden.

  • Godesberger sagt:

    Stimmt im Rückblick. Mein Kommentar war vom 19.6., hpd hat den Artikel erst am 20. veröffentlicht. Ich dachte allerdings zugegebenermassen ohnehin an die klassischen „Mainstream“-Printmedien und Agenturmeldungen.

  • Felix sagt:

    „Pochen auf ihren 70% katholischen und evangelischen Christen, als wären letztere eine monolithische Truppe“

    Zumal diese Zahl durch neuere Demographie etwas überhöht ist. Bei genaueren Erhebungen wurde festgestellt, dass sich nur etwa 15% der Kirchenmitglieder mit den festgelegten Werten und Glaubenssätzen identifizieren bzw. diese überhaupt kennen, sowie außerhalb der Feiertage Kirchen besuchen.

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